Montag, 9. Mai 2016

...heute versuche ich einen Tuocha zu beschreiben, der zu einer Gruppe Tee gehört,
   die aus meiner Sicht etwas mehr Aufmerksamkeit bei der Zubereitung erfordern, als
   andere.




Es handelt sich um einen Tuo der fast ausschließlich au Sprossen und feinere Blättern
hergestellt ist. Wie für eine fortgeschrittene Reife üblich, färben sich die Spitzen schon
leicht in Richtung Kupfer und lassen den Tuo sehr edel wirken. Leider habe ich schon
etwas Blatt von der Oberfläche verwendet, und kann nur noch einen Ausschnitt von
den oberen Blätter machen.


fein gearbeitete Blätter und Sprossen außen


Die erste Schicht lässt sich sehr gut lösen und es entsteht sehr wenig Bruch. Der Rest ist
etwas härter gepresst, wie man es von manchen Cakes kennt: Schöne, gleichmäßige Blätter
außen und das etwa gröbere Blatt im inneren Teil. Bei einem Tuo hatte ich das so noch nicht...


unregelmäßige Blätter im Inneren


Warum der Tee mehr Aufmerksamkeit fordert? Aus den Sprossen bildet die Teepflanze
neue Blätter und die ganze Kraft steckt in diesen sehr feinen und filigranen Trieben.
Das schlägt sich auch deutlich in den Aufgüssen nieder. Der Tee ist sehr intensiv, kann
aber schnell in Herbe umschlagen, wenn man die ersten Aufgüsse zu lange ziehen lässt.
Auf der anderen Seite lassen sich viele verschiedene Nuancen erschmecken, wenn man
es schafft, die Kraft dieser jungen Triebe in Balance zu halten.


Wenn ich Tee für mich zubereite, versuche ich meistens, die verschiedenen Komponenten
in einem guten Verhältnis zueinander zu stellen. Will man nur die hellen, fruchtigen Noten,
und geht mit zu wenig Hitze an die Tees, wirken diese schnell fade und flach. Bei zu viel
Material überdeckt Bitterkeit die anderen Komponenten. Trifft man die nötige Menge
zum Volumen der Kanne und kennt sich mit den Ziehzeiten etwas aus, kann man sich
dem Punkt langsam nähern und die verschiedenen Aromen gut zur Geltung bringen.


Bisher habe ich den Tee in einer Kanne von etwa 120ml und etwa 3-4g Blatt zubereitet.
Die ersten beiden Aufgüsse waren schon leicht herb, aber haben auch gut zu dem
gesamten Bild gepasst. Man schmeckt sehr deutlich Holz, aber auch Frucht. Später  kann
manschon länger ziehen lassen und erhält sehr volle und harmonische Tees.


Gestern gab´s das Ganze in einer größeren Kanne mit 210ml und einer Menge von 6g Blatt.
Das größere Volumen fängt die Herbe gut ab und der Geschmack ist sehr angenehm und
bekömmlich. Auch bei der Methode kann man 5-6 Aufgüsse erzielen, die sich gut trinken
lassen. Die Aromen sind nicht so scharf und prägnant, aber der Aufguss lässt sich gut
zu trinken.

In der heutigen Session will ich es mit einem neutralen Gaiwan versuchen!


Donnerstag, 5. Mai 2016

An einem ruhigen und warmen Nachmittag starte ich gerade eine kleine Session mit
einem "BingDao" von 2011.

Die Probe liegt schon länger hier rum und der besondere Ruf dieses Tees hat mich immer
ein bisschen abgeschreckt, diese Kostbarkeit zu brühen. ...bin mal gespannt, inwieweit diese
Vorsicht gerechtfertigt ist. Es kann auch ein schöner Tee sein, dem der große Name zu sehr
voraus eilt. Ob die Bezeichnung "BingDao" ihrem Ruf gerecht wird und was sich an Qualität
und Trinkerlebnis dahinter verbirgt, will ich gleich heraus finden.




Das Blatt ist Gushu typisch sehr vollständig und im Ganzen verarbeitet, für die Frische der
Tees sprechen die feineren immer noch mit silbernen Härchen bedeckten Blätter, auch sehr
dünne und schon leicht kupferfarbene Sprossen sind in dem Stück verarbeitet, dass gerade vor
mir liegt. Diese verschiedenen Blattgrade und das Alter der Blätter zum Zeitpunkt des
Pflückens hat doch einen entscheidenden Einfluss auf den gebrühten Tee. Die Tasse ist voller,
vielschichtiger und insgesamt dichter.





Während der erste Aufguss relativ gleichförmig war, bringt der Zweite jetzt deutlich mehr
auf den Gaumen. Neben einer sehr tiefen Herbe (nicht aggressiv, aber langanhaltend)
kommt auch etwas Frucht und einige andere Nuancen, die ich so gar nicht benennen kann.
Der Nachgeschmack hält noch weiter an, aber auch hier ist eine gewisse Herbe vorhanden,
die fast schon etwas trocken wirkt.




Der nächste Aufguss ist schon deutlich harmonischer. Süße und Herbe sind jetzt schön
in Balance und auch die verspielten Aromen, wie Citrus und Limette kommen gut zur
Geltung. Was jedoch auch hier im Nachhinein auffällt, ist die verbleibende Herbe.
Wenn man bei Tee aus der Bulang-Region von Herbe, oder auch Bitterkeit redet, so
wird diese oft von einer intensiven Süße begleitet, die sich gerade im Nachgang deutlich
zeigen sollte. Das vermisse ich leider bei dieser Session.

Um den Tee auf Gefälligkeit hin zu brühen, hätte man etwas weniger Blatt und längere
Ziehzeiten wählen können. Aber wie in China oft praktiziert, brüht man pu´erh gerne
heiß um möglichst viele Aromen und auch verschiedene Seiten eines Tees kennen zu
lernen.

Das ist letztlich Geschmackssache und ich habe auch lange mit kleineren Mengen
und Ziehzeit experimentiert. Was in dem Zusammenhang immer wieder aufgefallen ist,
dass Tees von anderen Personen immer etwas strenger, aber auch prägnanter und
vielschichtiger waren und man tatsächlich die Unterschiede von Verarbeitung und
Herkunft besser benennen konnte. Wie man letztlich verfährt, bleibt der eigenen
Vorliebe überlassen, aber es lohnt sich auch, die Methoden von Zeit zu Zeit zu
wechseln und das Ergebnis kritisch zu hinterfragen.






Das gebrühte Blatt kommt sehr intakt und saftig daher, leider haben diese Eigenschaften
keine allzu große Auswirkung auf den gebrühten Tee gehabt, was mich doch etwas
enttäuscht.

Woran kann das liegen? Zum einen liegt die Probe bestimmt schon 1 1/2 Jahre bei mir
rum und das Stück von etwa 10g war die ganze Zeit in einer Folie verpackt. Wenig frische
Luft, zu wenig Feuchtigkeit und auch zu wenig Material, als dass sich die Lager-
Bedingungen von selbst hätten bilden und stabilisieren können.

Auf der anderen Seite habe ich schon öfter Tees in sehr kleinen Mengen in solchen Tüten
gehabt und die waren deutlich präsenter und lebendiger als der heutige Kandidat. Es
verbleibt noch genug Blatt für eine weitere Session, mal sehen, ob doch noch mehr zu
holen ist. In diesem Fall wurde der gute Ruf dem Tee nicht wirklich gerecht, schade!